
Kreuztal-Eichen. In einigen wesentlichen Bereichen will die rot-grüne NRW-Landesregierung das ungeliebte Kinderbildungsgesetz (Kibiz) verändern.
Der politische Totalschaden der vormaligen CDU/FDP-Koalition soll schon zum 1. August durch einige Sofortmaßnahmen behoben werden.
Dies kündigte der jugendpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Wolfgang Jörg am Mittwochabend auf einer Informationsveranstaltung des SPD-Unterbezirks im Eichener Hamer vor 100 Erzieherinnen und Erziehern, Politikern und Vertretern von Verbänden und Verwaltungen an.
Zu den Sofortmaßnahmen zählt mit Beginn des nächsten Kindergartenjahres 2011/12 der Wegfall der Verpflichtung für die Einrichtungen, einen monatlichen Verwendungsnachweis zu erbringen. Mit einem Sonderprogramm will Rot-Grün ferner landesweit 1000 zusätzliche Jahrespraktikanten einstellen und ihnen damit die Möglichkeit geben, ihre Ausbildung zu beenden. Schließlich will die Landesregierung den U-3-Bereich wieder für Kinderpflegerinnen auch ohne Zusatzausbildung öffnen. Mit Einführung des Kibiz durften sie dort nicht mehr tätig sein.
Der SPD-Unterbezirk Siegen-Wittgenstein hatte Wolfgang Jörg und die betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus Kindertageseinrichtungen eingeladen, um auch von ihnen zu erfahren, wo der Schuh drückt. In mehreren Regionalkonferenzen, so Unterbezirksvorsitzender Willi Brase (MdB), sind bereits Argumente für eine Korrektur des Kibiz gesammelt worden.
Laut Wolfgang Jörg hat die schwarz-gelbe Landesregierung ihrer Nachfolgerin mit dem Kibiz drei Kuckuckseier hinterlassen: Zum einen sei versäumt worden, mit den Kommunen die Frage der finanziellen Lasten zu klären; so fordern die Spitzenverbände von Städten und Gemeinden inzwischen Ausgleichszahlungen in Höhe von zwei Milliarden Euro. Überdies seien Versprechungen zur finanziellen Unterstützung beim Ausbau des U-3-Bereichs nicht gehalten worden mit der Folge, dass der Ausbau in 1300 Einrichtungen gestoppt sei. Bis zum Jahr 2013 fehlten damit über 20 000 Betreuungsplätze im ganzen Land.
Bedeutsam für die Eltern: Für Kinder im jeweils letzten Kindergartenjahr soll der Besuch einer Einrichtung ab 1. August beitragsfrei sein. MdL Jörg: Kitas sind Bildungseinrichtungen, und Bildung muss kostenfrei sein. So werde die rot-grüne Landesregierung bis hin zu den Studiengebühren verfahren. Die SPD und ihr grüner Koalitionspartner wollen laut Wolfgang Jörg all diese Kosten, die wirtschaftlich schwache Familien in die Armut treiben können, auf Dauer aus Steuern finanzieren. Wenn aus Kindern gut ausgebildete Erwachsene geworden sind, hat die ganze Gesellschaft etwas davon, begründete der Politiker den Kurs der Koalition.
Nächstes Jahr wird eine Mehrheit im Landtag vorausgesetzt auch das Finanzierungssystem bei den Buchungen neu geregelt. Dabei soll auch berücksichtigt werden, dass es verschiedene soziale Gemengelagen gibt. Gemeint sind die unterschiedlichen Bedürfnisse in Großstädten oder auf dem Land. Auch will die Regierung die Sprachstandserhebung reformieren; bei Förderbedarf soll schneller reagiert werden.
Aus der Praxis bestätigte die Leiterin des städtischen Kreuztaler Kindergartens und Familienzentrums Regenbogen in Eichen, Anette Meier, als Sprecherin ihrer Berufsfachgruppe viele Kritikpunkte. So sei die pädagogische Zeit insbesondere bei den über 45 Stunden betreuten Gruppen gegenüber dem früheren Gesetz für Kindertageseinrichtungen gesunken. Zudem sei der Aufwand für Kinder, deren Eltern 35 Stunden gebucht haben, genau so hoch wie bei der 45-Stunden-Betreuung. Auch forderte sie wieder eine Spitzabrechnung der erbrachten Betreuungsleistung, weil die mit dem Kibiz eingeführte Pauschalierung keine Finanzierungssicherheit biete.
Anette Meier sprach sich ferner gegen die befristete Anstellung von Kita-Personal aus, zumal dies auf Kosten einer verlässlichen Betreuung gehe. Auch erneuerte sie die immer wieder gestellte Forderung nach einer Krankheits- oder Urlaubsvertretung bereits ab dem ersten Tag der Abwesenheit einer Fachkraft.
– Westfälische Rundschau, 18.02.2011 –