Arbeitsverhältnisse mit Würde und der staatlich subventioniertezweite Arbeitsmarkt standen im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion am Samstagmorgen bei der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB). Im Rahmen ihres Bezirkstages hatte die KAB Dr. Bettina Wolf, Willi Brase und Paul Breuer in das Pfarrheim der katholischen Kirchengemeinde St. Peter und Paul eingeladen.
Die Chefin der Arbeitsagentur, der Siegener SPD-Bundestagsabgeordnete und DGB-Vorsitzende sowie der Landrat zeigten sich erfreut über die aktuelle Situation in der Region. Wenn auch unterschiedlich, oder wie Breuer es formulierte : Ihrem berufsmäßigen Grad entsprechend.
Der Arbeitsmarkt hat sich dramatisch verändert, leitete der KAB-Bezirksvorsitzende Peter Thesing das Gespräch ein. 1992 leisteten 38 Millionen Beschäftigte rund 60 Milliarden Arbeitsstunden – 2010 entfielen auf mehr als 40 Millionen Arbeitnehmer nur noch 56 Milliarden Stunden. Es gelte nun also, bei dieser gesteigerten Produktivität Arbeitsstellen sicherzustellen.
Die Erhöhung der Erwerbstätigkeit ist vor allem auf Niedriglöhne und prekäre Beschäftigung zurückzuführen, so Willi Brase. Und dieser Umstand sei von der Politik begünstigt worden. In Städten würde sich dadurch Armut verfestigen – besonders dort, wo Industrie wegbreche. Das Problem sieht der DGB-Vorsitzende zum einen im Materiellen, wie dem Arbeitslosengeld. Die Menschen haben auch nicht mehr das Gefühl, Hilfe zu kriegen. Die Politik habe vor allem das Thema Jobperspektiven für Menschen mit Beeinträchtigung und Langzeitarbeitslose seiner Ansicht nach aufgegeben. Wir brauchen vernünftige Arbeitsplätze zu vernünftigen Löhnen so Brase.
Die Arbeitsagentur-Chefin sieht an dieser Stelle etwas Hoffnung für die Region. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen reduziert sich von Monat zu Monat, sagt Bettina Wolf. 2011 konnten im Bezirk Siegen-Wittgenstein/Olpe 3020 Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt integriert werden. Eine Rekordzahl, wie auch Landrat Paul Breuer bestätigte: Man darf sagen, wir haben Vollbeschäftigung. Denn die Arbeitslosenquoten liegen in Siegen-Wittgenstein und Olpe zwischen 4 und 6 Prozent. Ich will nicht sagen, dass wir keine Probleme haben, aber es ist eine gute Ausgangsposition. Die steigende Produktivität sei nicht das Problem, spielte der Landrat auf den Fachkräftemangel an. Die Frage ist, wo bekommen wir die Menschen für die Arbeit her? Eine Ressource sieht Breuer in den immer noch niedrigen Frauenquoten. Es fehlten auch regionale Konzepte für Menschen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chancen hätten. Menschen brauchen Arbeit für ihre eigene Würde. Auch Bettina Wolf sieht eine Chance im zweiten Arbeitsmarkt. Unternehmen könnten Tätigkeiten an freie und karitative Träger übergeben und so Menschen mit Beeinträchtigung beschäftigen.
»Es ist keine Würde, wenn man arbeitet und trotzdem beim Sozialamt steht«
Es ist aber keine Würde, wenn man in Vollschicht arbeitet und trotzdem beim Sozialamt steht, so Brase. 4 oder 5 Euro Stundenlohn seien nicht würdevoll. Über sieben Millionen Menschen mit 400 Euro-Jobs gibt es in Deutschland. Wir sind das einzige Land in Europa, das verbietet, mehr zu verdienen, so Brase. Jedes Bundesland sonne sich darin, wenn die Arbeitslosenzahlen niedrig seien, es gelte aber, genauer hinzuschauen. Und da hoffe ich unter anderem auch auf die Hilfe der KAB.
INFO
Weiteres Thema Route 57
> Ebenfalls Thema der Debatte: Die industriellen Strukturen in Südwestfalen, derzeit der ertragsreichsten Region in Deutschland. Ohne feste Beschäftigung gibt es keine Sesshaftigkeit, so Willi Brase.
> Neben der Erschließung neuer Gewerbegebiete stand die Route 57 im Mittelpunkt – die Diskussion um den Bau der Umgehungsstraße zwischen Siegerland und Wittgenstein hält Brase für peinlich.
> Paul Breuer warf den Grünen, als Gegnern des Projekts Hasenfüßigkeit vor. Sie versuchten erst gar nicht, im Kreistag die Beschlüsse zu revidieren, weil sie wüssten, dass sie verlieren würden.
-Westfälische Rundschau; Westfalenpost-