Monetarisierung – kein Weg zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements

Bürgerschaftliches Engagement ist ein Wert an sich und muss als besondere Ressource für eine demokratische und solidarische Gesellschaft wertgeschätzt, anerkannt und gefördert werden, ohne es durch Formen der Bezahlung zu gefährden. Mit dieser Position zur momentanen Diskussion um die Monetarisierung im bürgerschaftlichen Engagement sind bagfa-Vorstand und Geschäftsstelle sowie Vertreterinnen und Vertreter von Freiwilligenagenturen am 16. Oktober im Rahmen eines Hintergrundgesprächs mit den Obleuten des Unterausschusses Bürgerschaftliches Engagement des Deutschen Bundestags ins Gespräch gekommen. Ausschussvorsitzender Willi Brase (SPD) und die Obleute Svenja Stadler (SPD), Ingrid Pahlmann (CDU), Dr. Rosemarie Hein (Die Linke) und Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/ Die Grünen) nahmen sich die Zeit, die Anliegen der bagfa zu anzuhören und zu erörtern.
Dr. Christa Perabo vom bagfa-Vorstand stellte das Positionspapier vor und betonte dabei die Brisanz des Themas. Es schade der Idee des selbstbestimmten, freiwillig gewählten Engagements, wenn stundenbezogene Bezahlung im Ehrenamt zur Normalität würde. Die Motivation für ein freiwilliges Engagement dürfe nicht in erster Linie darin bestehen, die Rente aufzubessern oder prekäre Einkommen aufzustocken. Dieser durchaus legitime Wunsch könne nicht durch bezahltes bürgerschaftlichen Engagement gelöst werden. „Die Grenze zum Arbeitsmarkt ist dann überschritten“, betonte Dr. Perabo. Frau Prof. Dr. Gisela Jakob von der Universität Darmstadt hob hervor, dass Bezahlung von Engagement den Kern dessen angreife, was Engagement sei: im Gegensatz zur Arbeit könne Engagement „quer und widerspenstig“ sein, was auch seinen besonderen Wert ausmache. Bezahlung hingegen führe dazu, dass das Erwerbsmotiv in den Vordergrund trete, nicht die Lust, sich einzumischen. Hier stelle sich dann auch die Frage, wie freiwillig das freiwillige Engagement noch sei. Auch innerhalb der Organisationen führe die Monetarisierung einzelner Engagementbereiche zu Verwerfungen und Konflikten, wenn bezahlte und unbezahlte „Ehrenamtliche“ in ähnlichen Tätigkeitsfeldern aktiv seien. Außerdem wachse die Konkurrenz zwischen Trägern, die für Tätigkeiten zahlen und solchen, die es nicht wollen oder können.
Doris Heineck, Leiterin der Freiwilligenagentur Marburg-Biedenkopf, unterstützte diese These. Gerade im ländlichen Bereich gebe es immensen Bedarf an verbindlichen Unterstützungsleistungen von Seniorinnen und Senioren. Hier entstehe „eine neue Form von Arbeit“, die nicht mit dem bürgerschaftlichen Engagement vermengt werden dürfe. Olaf Ebert, Geschäftsführer der Freiwilligenagentur Halle-Saalkreis und Vorstandsvorsitzen der LAGFA Sachsen-Anhalt merkte ergänzend an, dass die Nachfrage nach „bezahltem Ehrenamt“ in der Beratung seiner Agentur steige und es immer mehr Organisationen gebe, die gleiche Aufgaben abwechselnd mit Hauptamtlichen, Bundesfreiwilligendienstlern oder Freiwilligen besetzen würden. „So entsteht keine Engagementkultur in den Organisationen“.
Die Abgeordneten unterstrichen die Wichtigkeit des Themas. Besonders der Pflegebereich müsse sehr genau betrachtet werden. Hier brauche es vor allem eine deutliche Ausweitung an bezahlter, professioneller Tätigkeit. Ehrenamt schließe einen Stundenlohn aus und habe daher auch nichts in der Debatte um einen Mindestlohn verloren. Einig waren sich die Anwesenden darüber, dass es gerade im Pflegebereich eine große Gefahr für einen Missbrauch von bürgerschaftlichem Engagement gebe. Es sei Aufgabe der Politik, hier andere Angebote der bezahlten Arbeit zu machen. Auch wurde von Seiten der Abgeordneten der Eindruck geäußert, dass Kommunen zunehmend Schwierigkeiten hätten, ihre Pflichtaufgaben zur Daseinsvorsorge zu finanzieren und hier im freiwilligen Engagement nach vermeintlich billigem Ersatz suchten.
Abschließend betonte die bagfa-Vorsitzende Birgit Bursee, dass es wichtig sei, in eine engagementfreundliche Infrastruktur zu investieren. Nur so könne die notwendige Beratung, Qualifizierung und Begleitung von Freiwilligen in allen Tätigkeitsbereichen sichergestellt werden