Der am Mittwoch vorgestellte Migrationsbericht 2013 zeigt: Viele Ängste vor Einwanderung sind unbegründet. Die meisten Menschen kommen aus der EU und sind hervorragend ausgebildet. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat unterdessen eine klare Linie zwischen den Organisatoren und den Sympathisanten der Pegida-Bewegung gezogen.
Nicht wenige der Organisatoren sind verurteilte Kriminelle, Neonazis und Antisemiten, sagte Gabriel am Dienstag. Ihnen gehe es nur darum, die Gesellschaft zu spalten und radikale Ideologien zu verbreiten. Den Terror zu benutzen, um unsere muslimischen Mitbürger auszugrenzen und gegen Flüchtlinge zu hetzen, ist kaum zu ertragen, so der Vizekanzler.
Mit denjenigen, die bei Pegida mitlaufen, müsse ein Dialog möglich sein: Wir müssen uns aber mit den Menschen beschäftigen, die in den letzten Wochen zum Ausdruck gebracht haben, dass die Dinge, die ihnen wichtig sind, von der Politik nicht mehr aufgegriffen werden.Deren Sorgen und Ängste müsse man ernst nehmen, auch weil diese Distanz zur Politik inzwischen sehr verbreitet sei, sagte Gabriel. Mit diesen Menschen das Gespräch zu suchen, das sei die Aufgabe von Politik und Parteien. Demokratie lebt vom Dialog, auch wenn er schwierig ist.
Die Initiatoren der Proteste stammen vorwiegend aus der rechtspopulistischen Szene, inzwischen stoßen aber auch immer mehr Rechtsradikale und Neonazis dazu. Sie versuchen, mit fremdenfeindlichen Parolen und Hass in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen. Gleichzeitig schüren sie diffuse Ängste vor angeblicher Überfremdung, einer drohenden Islamisierung der Gesellschaft und wirtschaftlichem Abstieg infolge verstärkter Zuwanderung.
Migration sichert unsere wirtschaftliche Stärke
Die Fakten sprechen hingegen eine andere Sprache. Das zeigt der am Mittwoch vom Kabinett beschlossene Migrationsbericht wie auch eine kürzlich vorgestellte Migrations-Studie der Bertelsmann Stiftung. Weder droht eine Islamisierung der Gesellschaft, noch nehmen Migrantinnen und Migranten den Deutschen Arbeitsplätze weg. Im Gegenteil: Zuwanderung trägt in hohem Maße zu Deutschlands wirtschaftlicher Stärke bei. Migrantinnen und Migranten arbeiten in vielen Bereichen, in denen deutsche Fachkräfte fehlen, zahlen Steuern und Sozialbeiträge und sorgen damit auch für ein stabiles Rentensystem.
2013 sind 1,23 Millionen Menschen nach Deutschland eingewandert. Gleichzeitig haben 798.000 Menschen das Land verlassen. Dies ergibt einen Bevölkerungszuwachs von rund 430.000 Menschen. Angesichts der negativen demografischen Entwicklung und der zunehmenden Alterung ist Deutschland dringend auf diese Einwandererinnen und Einwanderer angewiesen.
Mehr als drei Viertel der Zuwanderer kommen aus einem europäischen Land nicht aus muslimisch geprägten Staaten des Nahen Ostens oder Nordafrikas. Die Organisatoren der ausländerfeindlichen Proteste wie Pegida setzen Migration mit einer angeblichen Islamisierung unseres Abendlandes gleich.
Hauptzuwandererland ist seit 1996 mit großem Abstand Polen; es folgen Rumänien und Italien. In die Türkei wandern seit Jahren mehr Menschen aus, als von dort nach Deutschland einwandern; 2013 lag der Saldo bei minus 4.000.
Die meisten Migrantinnen und Migranten verfügen überwiegend über gute Qualifikationen und bringen die deutsche Wirtschaft voran. Dies trifft vor allem auch auf Migranten aus Rumänien und Bulgarien zu. Die Unterstellungen, diese Migranten seien Armutszuwanderer und missbrauchten Deutschland als soziale Hängematte, sind nicht durch Fakten gedeckt. Gerade bei Rumänen und Bulgaren ist die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland gestiegen.
Migration füllt die deutschen Sozialkassen und Haushalte: Pro Jahr zahlt jeder Ausländer im Schnitt 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben in Deutschland ein, als er an Transferleistungen erhält.
Die 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass haben 2012 insgesamt einen Überschuss von 22 Milliarden Euro erarbeitet.
Auf der Flucht vor Verfolgung, Gewalt und Tod
Im letzten Jahr haben rund 200.000 Flüchtlinge in Deutschland Schutz gesucht und Asyl beantragt. Die Zahl der Anträge ist nicht gleichzusetzen mit der Anzahl der Menschen, die hierzulande auch Asyl erhalten. Die meisten dieser Menschen stammen aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens. Darunter sind viele Kinder. Sie haben im Krieg Angehörige und Freunde verloren, ihre Häuser wurden zerstört, ihre Heimat ist auf lange Zeit unbewohnbar. Auch gegen diese schwer traumatisierten und hilfebedürftigen Menschen richten sich die Demonstrationen fremdenfeindlicher Initiativen wie Pegida in Dresden.