Steuern sind notwendig – aber es muss gerecht zugehen

Halver. Im Kulturbahnhof Halver konnte Nezahat Baradari (MdB) jetzt zahlreiche Gäste bei einer von ihr initiierten „Fraktion-vor-Ort“-Veranstaltung der SPD-Bundestagsfraktion begrüßen. Thema war die Frage „Wie gerecht ist das deutsche Steuersystem?“. Nach einem Impulsreferat des finanzpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion, Lothar Binding (MdB), standen die Perspektiven und Ziele der anstehenden Grundsteuerreform im Mittelpunkt. Weitere Gesprächspartner waren Halvers Bürgermeister Michael Brosch, die Geschäftsführerin des Landesverbands NRW des Deutschen Mieterbunds (DMB), Silke Gottschalk, und Verbandsdirektor Werner Weskamp von Haus&Grund Ruhr (H&G).

Zu Beginn wies Nezahat Baradari darauf hin, dass der Gesetzgeber die Grundsteuer bis spätestens 31.12.2019 für die Zeit ab 2025 gesetzlich neu regeln muss, nachdem das Bundesverfassungsgericht die bisherige Bemessungspraxis als verfassungswidrig eingestuft hat. „Bemessungsgrundlage der Grundsteuer sind noch immer die sogenannten Einheitswerte aus den sechziger Jahren in Westdeutschland bzw. aus den dreißiger Jahren in den neuen Bundesländern. Das ist nicht mehr zeitgemäß und führt zu Ungerechtigkeiten“, erläuterte Baradari. Für die Städte und Gemeinden sei die Grundsteuer mit einem jährlichen Gesamtaufkommen von rund 14 Mrd. Euro eine unverzichtbare Einnahmequelle, weshalb der Gesetzgeber jetzt schnell handeln müsse. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung wird zurzeit vom Deutschen Bundestag beraten.

Lothar Binding (MdB) ging in seinem Referat zunächst auf allgemeine Fragen unseres Steuersystems ein. Bund, Länder und Gemeinden würden pro Jahr insgesamt knapp 800 Mrd. Euro Steuern einnehmen. Dieser Betrag müsse in Relation zur gesamten jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands gesehen werden, die sich auf etwa 3.500 Mrd. Euro belaufe. Die wichtigsten Steuern seien die Mehrwert-, die Lohn- und Einkommen- sowie die Körperschaftssteuer. Während die Lohn- und Einkommensteuer progressiv gestaltet sei, müsse jeder die gleichen Mehrwertsteuersätze zahlen. Binding unterstrich: „Steuern sind eine Notwendigkeit. Denn selbst der Reichste kann sich kein eigenes Straßensystem und keine eigene Polizei leisten. Bei der Erhebung der Steuern sollte es aber so gerecht wie eben möglich zugehen.“

Bürgermeister Michael Brosch betonte, dass die Grundsteuer B für die Kommunen, anders als die Gewerbesteuer, eine konstante Größe sei. Der Haushalt der Stadt Halver umfasse rund 40 Mio. Euro, die Einnahmen aus der Grundsteuer B beliefen sich auf 2,5 Mio. Euro, also auf etwa 6 Prozent des Haushalts. Niemand werde durch die Grundsteuer überfordert, der jährlich zu zahlende durchschnittliche Betrag für ein Einfamilienhaus liege in Halver bei 380 Euro. „Wir in den Kommunen benötigen das Geld dringend, weshalb wir auf eine schnelle sowie rechtssichere und verfassungskonforme Neuregelung der Grundsteuer hoffen“, so Brosch. Der Bürgermeister bezeichnete es als wünschenswert, dass bei der künftigen Bemessung der Grundsteuer auch Kriterien berücksichtigt werden, die den Wert einer Immobilie ausmachen – aus Gründen der Gerechtigkeit, wie Brosch hervorhob.

Haus&Grund-Verbandsdirektor Werner Weskamp plädierte dagegen für eine rein flächenabhängige Berechnung der Grundsteuer. Wertabhängige Bemessungsmodelle würden aus seiner Sicht zu viel Bürokratie verursachen. Auch wenn H&G die Grundsteuer am liebsten ganz abschafft sehen würde, sei ihm, so Weskamp, aber klar, dass die Kommunen darauf nicht verzichten könnten. Dabei gehe es schließlich auch um die Finanzierbarkeit wichtiger freiwilliger Leistungen vor Ort. Weskamp forderte, dass die Grundsteuerreform aufkommensneutral sein müsse, es also zu keiner höheren Belastung der Steuerzahler kommen dürfe.

Silke Gottschalk, Landesgeschäftsführerin des Deutschen Mieterbunds, verwies auf in Teilen des Landes NRW stark gestiegene Mieten. Auch die Steuerpolitik sei hier gefordert. Die Grundsteuer sei eine originäre Eigentümer-Steuer. Der Mieterbund fordere daher, die bisher bestehende Möglichkeit, sie über die Betriebskosten auf Mieter*innen umzulegen, abzuschaffen. Ferner plädierte Gottschalk dafür, unbebaute Grundstücke, soweit diese bebaubar sind, durch eine höhere Grundsteuer stärker zu belasten, um so notwendige Bauinvestitionen anzuregen. Schließlich würden in NRW 80.000 neue Wohnungen pro Jahr benötigt, 20.000 im öffentlich geförderten Wohnungsbau.

Nezahat Baradari (MdB) unterstrich, dass die Frage der Bemessungsgrundlage bei der anstehenden Reform im Zentrum stehe. Der vorliegende Gesetzentwurf sehe im Grundsatz eine bundeseinheitliche Regelung vor, nach der die Höhe der Grundsteuer künftig auch in Abhängigkeit vom Immobilienwert ermittelt werden soll. „Allerdings ist eine Öffnungsklausel geplant, die es den einzelnen Bundesländern ermöglichen würde, davon abzuweichen. Darauf hat die CSU gedrängt, weil Bayern ein reines Flächenmodell befürwortet“, erläuterte Baradari. Lothar Binding (MdB) hob abschließend hervor, dass für die SPD-Bundestagsfraktion bei der Gewerbesteuerreform drei Punkte entscheidend sind:  Notwendig sei eine verfassungskonforme und aufkommensneutrale Lösung, die Steuerzahlungen müssten sozial gerecht und fair verteilt sein, übermäßige Belastungen – vor allem auch für Mieter*innen – seien zu vermeiden, außerdem müssten die Kommunen weiterhin in der Lage bleiben, die für die Höhe der Grundsteuer in ihren jeweiligen Bereichen maßgeblichen Hebesätze eigenständig festzulegen.